Das Maß aller Dinge
Nicht immer ist die Diagnose „Arthrose“ ein Grund, mit seinem Lieblingssport aufzuhören. Besser ist es, maßvoll weiterzutrainieren.
Die Diagnose Arthrose trifft nicht nur alte oder übergewichtige Menschen. Auch Jüngere können darunter leiden. Sogar Sportler. Trotzdem ist die Knorpelschädigung in den Gelenken noch lange kein Grund, seine Aktivität komplett einzustellen. Denn es kommt auf das Stadium der Schädigung und auf die Art der sportlichen Betätigung an.
Wichtig ist, dass die Betroffenen es nicht übertreiben. Regelmäßiger aber maßvoller Sport tut den Gelenken sogar gut, sind sich Sportmediziner und Orthopäden einig.
Wie viele Menschen letztendlich von Arthrose betroffen sind, darüber gibt es keine verlässlichen Zahlen. In der Regel erscheinen die Patienten erst beim Arzt, wenn sie von Schmerzen geplagt werden. Dabei muss die Abnutzung des schützenden Knorpels dabei noch gar nicht so weit fortgeschritten sein. Das liegt einfach daran, dass das Schmerzempfinden sehr individuell ist.
„Am häufigsten tritt der Verschleiß im Knie oder am Hüftgelenk auf“, sagt Prof. Wolfgang Potthast vom Institut für Biomechanik und Orthopädie der Deutschen Sporthochschule Köln und den ARCUS Kliniken Pforzheim.
Für den Beginn einer Arthrose gibt es unterschiedliche Gründe. Genetische Disposition ist einer, eine permanente Fehlbelastung ein anderer. Natürlich spielt auch Übergewicht eine große Rolle. Nach der Diagnose jegliche Aktivität komplett einzustellen, wäre nicht richtig. „Unter Schmerzen sollte aber auch kein Sport getrieben werden. Es gilt, das richtige Maß zu finden“, sagt Potthast. Die Patienten, denen die Diagnose gestellt wurde, sollten genau auf die Warnsignale ihres Körpers achten. Schmerzt zum Beispiel das Laufen jedes Mal, sollte diese Aktivität umgestellt werden. Eine veränderte Laufbewegung kann Besserung bringen, sei aber nicht immer hinreichend gut erlernbar und nicht zwangsläufig nachhaltig.
Aber eine Reduzierung des Trainingspensums kann bereits Linderung verschaffen. Bandagen oder Orthesen können bedingt helfen. „All diese Dinge kann man nicht allen Betroffenen empfehlen. Es kommt ganz auf den Einzelfall an. Man kann auch nicht grundsätzlich allen Arthrosepatienten ihren geliebten Sport verbieten“, sagt der Sportwissenschaftler, der dazu rät, ausreichende Schonphasen ins Training einzubauen.
Gesunde Belastung
Orthopäden und Sportmediziner sehen es ebenso wie Potthast. Eine regelmäßige und maßvolle körperliche Belastung ist bei Arthrose durchaus sinnvoll. Eine gesunde Belastung verbessere die Stabilität, Beweglichkeit, Koordination und Kraft sowie den Gesundheitszustand der Gelenke. Hinzu komme, dass der Gelenkknorpel durch die Bewegung besser mit Nährstoffen versorgt werde. Ein intakter Gelenkknorpel ist glatt und verteilt die Belastung, die durch die Bewegungen im Sport entsteht, über eine möglichst große Fläche. In einem gesunden Gelenk sorgt die Gelenkflüssigkeit dafür, dass bei Bewegungen möglichst wenig Reibung entsteht. Die Flüssigkeit versorgt den Gelenkknorpel außerdem mit Nährstoffen.
Ein geschädigter Knorpel wird rauer, faseriger. Er kann dann seinen Hauptaufgaben, der Lastverteilung und der Minimierung der Reibung nicht mehr nachkommen. Die erhöhte Reibung zwischen den Gelenkflächen führt dann zu noch schnellerem Knorpelverschleiß.
Training des Muskels
Wichtig bei einer beginnenden Arthrose sei es deshalb, so Potthast, Muskeln zu trainieren und zu stärken, sodass die Fehlbelastungen der Gelenke reduziert werden. Auch gibt es verschiedene Sportarten, die sich bei Arthrose als besonders förderlich erweisen. „Allerdings lässt sich der Knorpelabbau dadurch nicht heilen, sondern lediglich verlangsamen, im günstigsten Fall vielleicht stoppen“, so Potthast. Zu den schonenden Sportarten gehören Radfahren, Walking und Schwimmen. Beim Radfahren wird das Kniegelenk bewegt ohne dass es stark belastet wird. Wichtig sei es, darauf zu achten, dass die Übersetzung, das heißt der Tret-Widerstand, nicht zu hoch ist, dafür aber die Trittfrequenz relativ hoch sein sollte. Die Sitzposition ist dann optimal, wenn der Winkel im Knie immer größer als 90 Grad ist und die Beine nicht vollständig durchgedrückt werden können. „Günstig am Radfahren ist die Bewegung ohne dass das Knie das Körpergewicht tragen muss“, so Potthast.
Wenig Gelenkbelastung
Gleiches gilt für Schwimmen. Hier wird das Gewicht vom Wasser getragen, nicht zuletzt deshalb gilt es als besonders gelenkschonend. „Beim Schwimmen bieten sich Kraul- und Rückenschwimmen an“, sagt Potthast. Brustschwimmen könne wegen der Beinbewegung in eine Grätsche besonders bei Hüft- und Kniegelenkarthrosen zu unerwünschten Gelenkbelastungen führen.
Orthopäden empfehlen außerdem jede Art von Wassergymnastik. Dafür gilt dasselbe wie für das Schwimmen. Das Gewicht wird vom Wasser getragen und die Gelenke werden geschont, weil sie weniger beansprucht werden.
Auf seinen Körper hören
Wem das Joggen Schwierigkeiten bereitet, der könnte Potthast zufolge aufs Wandern oder Walken umsteigen. Je nach Geschwindigkeit werden beim Gehen im Gegensatz zum Laufsport die Knie- und Hüftgelenke dabei um etwa die Hälfte weniger belastet. Auf diese Weise werde der Druck im Knie, der das Fortschreiten der Arthrose begünstigt, reduziert. Je nach Ausprägung der Arthrose sei es aber auch möglich, weiterhin zu laufen. „Es ist so ähnlich wie mit einem Bankkonto. Wenn ich es einmal stark belaste, benötigt es wieder ein wenig Zeit bis es ausgeglichen ist. Eine dauerhafte Überbelastung führt irgendwann zum Totalausfall“, so der Sportexperte. Häufiges Laufen ist bei Hüft und- Kniegelenkarthrose nach Ansicht vieler Orthopäden aber nur bedingt geeignet, da vor allem aufgrund der höheren Bewegungsgeschwindigkeit die Gelenke stärker beansprucht werden. Vor allem bei fortgeschrittener Arthrose kann dies problematisch werden.
Grundsätzlich sei von Sportarten, bei denen es oft wechselnde Stopps und Gos oder intensive Richtungswechselbewegungen gibt, abzuraten. Dazu gehören Tennis und fast alle Ballsportarten wie Fuß-, Hand- oder Basketball. Bewegungen, die das Knie asymmetrisch belasten, können mit der Zeit kritisch werden und den Knorpel schädigen. Dies alles sollte jedoch nicht in einer totalen Starre enden. Regelmäßige Bewegung tut nicht nur dem Herz-Kreislauf-System gut, sondern auch den Gelenken. Eine sportliche Betätigung ist also wichtig. Zuallererst sollte sich jeder zunächst fragen, welche Sportart ihm Spaß machen könnte.
Im Winter bietet sich Skilanglauf an. Die rhythmischen Bewegungsabläufe ohne hohe Druckbeanspruchungen sind deshalb bei Arthrose des Hüft- oder Kniegelenks dem alpinen Skilauf vorzuziehen.
Hinzu kommt, dass beim Skilanglauf mit seinen harmonischen Bewegungen nahezu alle Muskeln und Gelenke zum Einsatz kommen. Als saisonale Ergänzungssportart wird er auch von Orthopäden empfohlen. Geübte Skilangläufer können diese Sportart auch mit Arthrose oft bis ins hohe Alter ausüben. Im Sommer kann Nordic Walking eine gute Alternative darstellen.
Autorin: Susanne Wächter
Erschienen in: ArthroseNachrichten 1 | 2013
Arthrose Nachrichten – Mai 2013 – für Menschen in Bewegung (PDF)