Interview mit Julia Hochmuth – Stammschützin des Bundesligateams der SGi Ludwigsburg
Mit Julia Hochmuth legt man sich besser nicht an: Die toughe 25-Jährige betreibt seit Ihrem neunten Lebensjahr den Schießsport und ist Stammschützin des Bundesligateams der SGi Ludwigsburg. Auf der Liste ihrer sportlichen Erfolge steht schon so Einiges auf das sie stolz sein kann: Neben mehrfachen Deutschen Meistertiteln, konnte sie sich 2010 beim Weltcup in München durch eine Top-8-Platzierung für das TopTeam London 2012 qualifizieren.
Durch ihr Studium fiel es ihr in beruflicher Hinsicht, wie vielen Hochleistungssportlern oft nicht leicht, den Sport und die Karriere – bedingt durch den Zeitmangel der durch das harte Training entsteht – zu vereinen. In den kommenden Monaten werden wir Julia im Rahmen eines Mentorenprogramms der Deutschen Sporthilfe unterstützen und ihr Einblicke in die Abläufe unserer orthopädischen Klinik bieten.
Erfahren Sie in diesem Interview mehr über ihren Sport und was Sie vom Mentorenprogramm der deutschen Sporthilfe hält.
Frau Hochmuth, Sie erzählten uns ja schon im Voraus, dass Sie die Leidenschaft für den Schießsport quasi in die Wiege gelegt bekamen. Was ist es, das Sie daran so reizt?
Der Schießsport verlangt allerhöchste Konzentration, Körper- und Gedankenbeherrschung. Es kommt nicht darauf an wer der Schnellste ist, oder wer am weitesten springen kann, auch bin ich nicht auf 10 Mitspieler angewiesen. In meinem Sport bin ich selbst mein einzig wirklicher Gegner, denn nur wer seinen mit Adrenalin vollgepumpten Körper unter der absoluten Stressbedingung mit Namen „Wettkampf“ in einen Zustand innerer Ruhe und Selbstbeherrschung bringt und dazu noch in der Lage ist, sich nicht von störenden Gedanken ablenken zu lassen, der wird am Ende ganz oben stehen. Und wer denkt, das Schießen langweilig ist, weil man doch „nur rumsteht“ und „immer wieder das selbe macht“, der darf mir glauben, dass sich nach cirka 120.000 Trainingsschüssen in 18 Jahren Leistungssport, noch nie einen Schuss zweimal geschossen habe. Ein Profi ist der, der mit wachsender Begeisterung täglich das Gleiche tut.
Dass wir eine Vorstellung bekommen: Wie laufen beim Schießsport die Trainingsvorbereitungen ab? Vor allem die Konzentration und Ruhe spielt da sicherlich eine große Rolle.
Das Training im Schießen gestaltet sich unheimlich vielseitig und abwechslungsreich. Neben dem unabdingbaren Training auf dem Schießstand selbst, welches ebenfalls unendlich facettenreich durchgeführt werden kann, gehören zu meinem Trainingsplan Laufeinheiten, Krafttraining im allgemeinen und speziellen Bereich, Körperstabilisationstraining, Gleichgewichtsübungen und Schwimmen in festen Bestandteilen. Darüberhinaus mache ich sehr gerne Jahreszeitabhängige weitere Dinge wie Inline Skaten, Klettern und Skifahren, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Dies sind alles Trainingsmethoden, die meinen Körper trainieren. Ebenso findet man in meinem Trainingsplan Einheiten zu Mentalem Training, Yoga, Entspannungsübungen und psychologische Betreuung. Wichtig ist das individuell richtige Gleichgewicht all dieser Dinge zu finden, um sowohl den Körper, als auch den Geist optimal auf bevorstehende Wettkämpfe vorzubereiten.
Ihre Spezialdisziplin ist die Luftpistole. Gibt es Besonderheiten die gerade bei dieser Waffe Genauigkeit erfordern?
Bei der Disziplin Luftpistole ist vor allem die Fähigkeit gefragt, die Konzentration über einen sehr langen Zeitraum aufrechtzuerhalten. Ein Wettkampf in dieser Disziplin dauert bei den Frauen 65 min. Diese teilen sich in 15 min Probeschiessen und anschließenden 50 min Wettkampf auf. In dieser Zeit müssen 40 Wettkampfschüsse in auf 10m entferntes Ziel abgegeben werden. Die 10, der bestmögliche Schusswert ist hier gerade einmal 11,5 mm groß (zum Vergleich: eine 1-Cent-Münze hat den Durchmesser 16,25 mm). Der aktuelle Weltrekord liegt bei 393 Ringen.
Oft liegen zwischen Vorkampf und dem Finale wenige Stunden, in denen die Spannung nicht verloren, aber auch nicht zur Zerreißprobe werden darf. Das dann folgende Finale dauert je nach Verlauf noch einmal bis zu einer Stunde. Somit muss ich in der Lage sein, über mehrere Stunden voll da zu sein – körperlich wie mental.
Ist der Schießsport nach wie vor eher eine Männerdomäne, oder gibt es auch viele weibliche Anwärterinnen?
Die Mitgliederzahlen des Deutschen Schützenbundes deuten auf eine eindeutige Männerübermacht in diesem Sport hin. Jedoch gibt es auch viele Frauen, die den Schießsport ausüben. Bei allen nationalen und internationalen Wettkämpfen haben Männer und Frauen ihre eigenen Wettkämpfe und Disziplinen, lediglich im deutschen Ligasystem treten gemischte Mannschaften gegeneinander an. Leistungsmäßig kann definitiv nicht von einer Männerübermacht gesprochen werden!
Sie werden dann wahrscheinlich auch manchmal ganz schön auf die Probe gestellt. Wie ist da die Akzeptanz von Ihren männlichen Mitstreitern?
Im Schießsport gibt es überhaupt keine Akzeptanzprobleme zwischen den verschiedenen Geschlechtern. Da, wie bereits erwähnt, die Leistungen zwischen Männern und Frauen durchaus vergleichbar sind, ist es einfach, sich gegen die Jungs zu behaupten – nämlich in dem Frau einfach besser schießt J. Ich habe über viele Jahre bereits als junges Mädchen bis zum Erwachsenenalter in einer sonst nur mit Männern besetzten Bundesligamannschaft geschossen – so habe ich die großen Brüder bekommen, die ich nie hatte.
Durch das Mentorenprogramm, sollen Unternehmen jungen Sportlerinnen und Sportlern zukünftig Hilfe bei der Berufswahl und beim Sammeln von Praxiserfahrung bieten. Was erhoffen Sie sich persönlich vom Mentorenprogramm der deutschen Sporthilfe?
Die Initiative, die die Deutsche Sporthilfe mit dem Mentorenprogramm ins Leben gerufen hat, hat das allerbeste Lob verdient und ich möchte mich an dieser Stelle bereits dafür bedanken, dass ich Teil dieses Programmes sein darf. Als Hochleistungssportler hat man es nicht leicht, Schule, Ausbildung, Studium, Beruf etc. unter einen Hut zu bringen mit dem Sport. Der überwiegende Teil der Athleten in Deutschland verfolgt dabei inzwischen zuerst einmal eine reine Sportprofikarriere, weil die internationale Leistungsdichte so enorm zugenommen hat, dass man in vielen Sportarten nur noch mit dem Trainingsaufwand eines Profis die Chance hat oben mitzukämpfen. Ich habe mich für den Weg entschieden, meine berufliche Zukunft parallel zum Leistungssport aufzubauen und habe an der Universität in Tübingen sowohl ein Bachelor- als auch ein Masterstudium gemacht. Dieser Weg war nicht immer einfach und erforderte sehr viel Disziplin und Prioritätensetzungen. Das Mentorenprogramm der Deutschen Sporthilfe unterstützt eben genau solche Sportler, die sich für diesen schwierigen Weg entschieden haben und bietet somit die Chance, dass Athleten mit Firmen in Kontakt treten und auf den Einstieg in das Berufsleben vorbereitet werden. Eine Chance, die man als Leistungssportler nur sehr schwer bekommt, da der Sport so viele Ressourcen (Zeit, Energie, Flexibilität) in Anspruch nimmt, die man benötigen würde, um den Einstieg selber in Angriff zu nehmen. Ich persönlich erhoffe mir einen Einblick in die Realität des Berufsalltages in verschiedenen Abteilungen, Unterstützung bei der Erstellung der optimalen Bewerbungsunterlagen, ein Training zu einem Vorstellungsgespräch, sowie die Möglichkeit wertvoller Kontakte. Ebenso bin ich davon überzeugt, dass ich als Leistungssportler meinem Mentor auch etwas zurückgeben kann, denn an keiner Universität der Welt lernt man den Ehrgeiz, die Disziplin, das Durchhaltevermögen, den Umgang mit Sieg und Niederlagen und den absoluten Willen ein Ziel zu verfolgen, egal wie nah oder fern dieses liegt, wie im Sport.
Ihr nächstes Ziel ist Olympia 2016 in Rio. Welches Ziel haben Sie in beruflicher Hinsicht?
Nach Beendigung meiner Sportkarriere wünsche ich mir einen Beruf, der dieselbe bedingungslose Leidenschaft hervorruft, wie es mein Sport getan hat.