Thema „Kreuzbandverletzungen“: Dr. med. Thomas Fritz im Interview mit FuPa.net
Torjäger Kevin Bayer verweilt in der Warteschleife…
Der Stürmer des FV04 Wössingen verletzte sich bereits in der Vorbereitung schwer / Reserve muss auf „Sturmkante“ verzichten.
Aufsteiger FV04 Wössingen traf es in den letzten Monaten knüppeldick. Zunächst verletzte sich der Toptorjäger der vergangenen Saison, Kevin Bayer, ehe sich auch noch die Sturmhoffnung der zweiten Mannschaft am zwölften Spieltag eine langwierige Knieverletzung zuzog.
„Wir schreiben den 07.06.2015! Kevin Bayer konnte soeben eine Vorlage seine Bruders Robin Bayer zum vorentscheidenden 2:0 verwerten. Der Doppelaufstieg des FV04 Wössingen wurde zur Gewissheit. Maßgeblichen Anteil am Aufstieg in die Kreisliga hatte Mittelfeldmotor Kevin Bayer mit 16 Toren und drei Vorlagen. Ebenso schaffte es das Reserveteam durch die Relegation und konnte die C3 in Richtung B3 verlassen.
Der erste Schock traf die „Mondspritzer“ in der Vorbereitung auf die neue Spielzeit. Während eines Testspieles zog sich Kevin Bayer einen Riss im hinteren Kreuzband zu. Die Behandlung für diese Verletzung kann in zwei Varianten durchgeführt werden. Kevin entschied sich gegen die Operation, was sich im Spiel gegen Spöck rächte, als die Verletzung wiederkehrte. Zudem erging es Timo Nemluvil nicht besser, im Spiel gegen die Reserve des FC Espanol verletzte er sich ebenfalls schwer.
FuPa.net hat bei Dr. med. Thomas Fritz von der ARCUS Sportklinik in Pforzheim nachgefragt, ob solche Verletzungen überhaupt verhindert und wie diese richtig behandelt werden können.
FuPa: Mit Kevin Bayer und Timo Nemluvil haben sich zwei Spieler des FV04 Wössingen schwer am Knie verletzt. Steigt das Verletzungsrisiko für Fußballer bei widrigen Platzverhältnissen auf Grund des unebenen Rasens?
Dr. med. Thomas Fritz: Prinzipiell steigt das Verletzungsrisiko natürlich an wenn die Platzverhältnisse nicht optimal sind. Hierzu gehören zum einen ein sehr tiefer Boden mit daraus resultierender schneller Ermüdung der Muskulatur. Zusätzlich sind sehr glatte und rutschige Plätze mit erhöhtem Verletzungsrisiko versehen. Auch ausgeprägte Unebenheiten bis hin zu Löchern steigern das Verletzungsrisiko deutlich, da hier durch unvorhergesehene Veränderung des Bewegungsablaufes plötzliche Verdrehungen oder Abknickungen insbesondere im Sprunggelenk und im Kniegelenksbereich stattfinden, die dann teilweise in diesem Moment muskulär nicht aufgefangen werden können und zur Verletzung der Gelenke führen.
FuPa: Kevin Bayer hatte sich im August das Kreuzband gerissen und sich für die konservative Behandlung entschieden. Bereits nach zehn Wochen stand er wieder für seine Farben auf dem Sportplatz. Kann eine konservative Behandlung inklusive deutlichem Muskelaufbau eine Operation wirklich zu 100% ersetzen?
Dr. med. Thomas Fritz: Nein, heutzutage ist bei vollständiger vorderer Kreuzbandruptur und intensiver sportlicher Belastung eine operative Kreuzbandplastik empfohlen. Bestimmte leichte und mittlere sportliche Tätigkeiten können unter Umständen bei guter muskulärer Kompensation auch ohne vorderes Kreuzband wieder durchgeführt werden. Jedoch Sportarten mit schnellen Richtungswechseln und Sprungbelastung, hierzu gehören insbesondere Fußball, Basketball, Handball und andere sind nach einem vollständigen Riss des vorderen Kreuzbandes in der Regel nicht mehr möglich. Kevin Bayer ist hierfür mit seiner Verletzung ein Paradebeispiel. Zunächst konnte durch intensives Muskelaufbautraining eine leichte und mittlere sportliche Belastbarkeit wieder hergestellt werden. In der Wettkampf Situation war die Stabilität des Kniegelenkes aber nicht ausreichend und es kam erneut zu einem Wegknicken des Kniegelenks. In solchen Fällen ist das Risiko für weitere Begleitverletzungen natürlich eher erhöht.
FuPa: Am 01.11.2015 fiel Timo Nemluvil ein Gegner auf das Schienbein. Diagnose: Die Kniescheibe sprang auf dem Platz raus und wieder rein. Minimum acht Wochen Pause sind die Folge. Können solche Verletzungen überhaupt verhindert werden, beziehungsweise Präventivmaßnahmen getroffen werden beispielsweise durch massiven Muskelaufbau rund ums Knie?
Dr. med. Thomas Fritz: Komplett verhindern kann man solche Verletzungen nicht. Auch bei intensiver Prävention kann es durch einen unglücklichen Unfallmechanismus oder teilweise auch entsprechender Veranlagung im Kniegelenk zu solchen Verletzungen gekommen. Neuere Untersuchungen haben aber gezeigt, dass durch intensive Präventivmaßnahmen das Verletzungsrisiko deutlich gesenkt werden kann. In diesem Fall handelte es sich um einen Innenbandanriss und ein Herausspringen der Kniescheibe. Durch intensives Muskelaufbautraining, in diesem Fall insbesondere des inneren vorderen Oberschenkelstreckers (auch Musculus Vastus medialis genannt), kann vorgebeugt werden. Des Weiteren haben sich Leistungstests bewährt, bei denen eventuell Ungleichgewichte der Hüft- und Kniemuskulatur, sowie eventuelle Koordinationsdefizite diagnostiziert werden. Im Anschluss kann dann ein individueller Trainingsplan für den einzelnen Spieler erstellt werden um Präventivverletzungen vorzubeugen.
Quelle: www.FuPa.net, 01.02.2016